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Drohnen-Reflexe aus Brüssel

Drohnen-Reflexe aus Brüssel
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Niemand wird ernsthaft die übergeordneten und gar nicht zu überschätzenden Verdienste der europäischen Integration unter dem Dach der Europäischen Union bestreiten wollen. Frieden und Freiheit, grenzenloses Reisen mit einer (beinahe) einheitlichen Währung, weitestgehender Freihandel und, im globalen Vergleich, beneidenswerte soziale Standards sind nur einige der Errungenschaften auch der europäischen Integration, an die wir uns längst wie selbstverständlich gewöhnt haben. Dass diese Annehmlichkeiten keineswegs Naturgesetzen entspringen, zeigt ein Blick in die europäische Geschichte im 20. Jahrhundert oder auf viele andere Regionen rund um den Globus in der Gegenwart.

Aber auch die EU-Medaille hat zwei Seiten. Man könnte ganze Bücher füllen mit in Brüssel ausgeheckten, grotesk anmutenden bürokratischen Eskapaden. In der Registratur sind diese meist unter dem Buchstaben R wie Regulierungswut zu finden. Als Klassiker seien nur die erbitterten und langwierigen Schreibtischgefechte um den erlaubten Krümmungsgrad von Salatgurken erwähnt. Verbraucher wie landwirtschaftliche Erzeuger konnten dieses Schauspiel nur mit erstauntem Kopfschütteln beobachten. Schilda lässt grüßen.

Nun hat der EU-Verkehrskommissar Siim Kallas angekündigt, einen robusten Rechtsrahmen für den Betrieb ziviler Drohnen zu schaffen. “Zivile Drohnen können Straßen- und Eisenbahnbrücken auf Schäden überprüfen, im Fall von Katastrophen wie Überschwemmungen zu Beobachtungszwecken eingesetzt werden und ermöglichen eine punktgenaue Aufbringung von Pflanzenschutzmitteln. In Zukunft könnten Drohnen sogar von Ihrem bevorzugten Online-Einzelhändler zur Auslieferung von Büchern verwendet werden. Allerdings haben viele Menschen, zu denen auch ich gehöre, bei diesen Geräten Bedenken, und zwar in puncto Betriebssicherheit, äußere Gefährdungen und Privatsphäre”, erklärte der Kommissar.

Daher, so heißt es in einer Pressemitteilung der Kommission, sollen künftig strenge Standards für die technische Sicherheit, den Schutz der Privatsphäre, Versicherung und Haftung gelten. Das solle der europäischen Industrie ermöglichen, einen Führungsrolle auf dem internationalen Markt für diese aufstrebende Technologie zu übernehmen, während gleichzeitig alle erforderlichen Schutzvorkehrungen getroffen werden.

Diese Sätze lassen den leidgeprüften Kenner der Brüsseler Bürokratie aufhorchen und leider nicht unbedingt nur Gutes ahnen. Selbstverständlich bedarf es gewisser Regeln zum Beispiel beim Flugbetrieb von Drohnen – die gibt es auch auf jedem Übungsplatz für Modellflieger. Und der Schutz von Daten und Privatsphäre ist ebenfalls wichtig. Allerdings erschließt sich zumindest auf den ersten Blick nicht, wie die angekündigte strenge Regulierung die europäische Industrie dabei unterstützen soll, bei der Entwicklung dieser neuen Technologie eine Spitzenrolle einzunehmen. Skeptiker sehen hier wohl eher den häufig auftretenden Brüsseler Reflex, eine viel versprechende neue Technologie derart gründlich und über einen Zeitraum, der selbst bei einem Schneckenrennen nur einen Platz im hinteren Mittelfeld brächte, zu regulieren, dass europäische Forschungs- und Entwicklungslabors im globalen Wettbewerb hoffnungslos zurückliegen, bevor das Rennen wirklich gestartet worden ist.

Es wäre beileibe nicht die erste Technologie, bei der deutsche und europäische Ingenieure durch ein allzu enges regulatorisches Korsett den Anschluss an die Innovationsführerschaft verloren haben. Es bleibt zu hoffen, dass sich Brüssel (nicht nur) in diesem Fall von seinen lieb gewonnenen Reflexen frei macht und mit Augenmaß sowie in einer Geschwindigkeit agiert, sodass europäische Ingenieure eine reelle Chance im Wettbewerb mit ihren Kollegen im Silicon Valley oder in Asien haben. Wer unseren Podcast zum Thema Amazon und die Drohnenlieferung noch nicht gehört hat, sollte am besten einfach bei Soundcloud oder  iTunes vorbeischauen und sich die 9. Ausgabe dazu anhören.

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