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Empörung über Zalando: Zu Recht oder Heuchelei? (Teil 1)

Empörung über Zalando: Zu Recht oder Heuchelei? (Teil 1)
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Seit der Ausstrahlung der Undercover-Reportage des Privatsenders RTL über die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren des Modeversenders Zalando ist dieses Thema weit über die Grenzen der Ecommerce-Branche hinaus in aller Munde. In der öffentlichen Meinung scheint die Empörung über die dokumentierten Zustände beim rasant wachsenden Online-Händler zu überwiegen. Einzelne, aber vielleicht auch die schweigende Mehrheit, sehen die RTL-Enthüllungen wesentlich gelassener. Auch innerhalb des Redaktionsteams von ecommerce-vision gehen die Meinungen hin und wieder auseinander. Lesen Sie, wenn Sie möchten, zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen des Aufregers der Woche. In diesem Artikel gibt es das “Pro” und direkt im Anschluss können sie das “Contra” lesen. Machen sie sich selbst ein Bild, welche Haltung richtig ist und wie sie zu dem Thema stehen.

Ein gerüttelt Maß an Heuchelei

Nun ist es wieder passiert: In bester Günter-Wallraf-Manier, und die Ikone der deutschen Undercover-Enthüllungs-Reportage war ja auch in der Tat beratend beteiligt, hat eine junge Journalistin in geheimer Mission als so genannte Pickerin im Logistikzentrum Erfurt von Zalando angeheuert. Als ihre Tarnung am Ende ihres selbst gewählten dreimonatigen Martyriums aufflog, prangerte der Privatsender RTL publikumswirksam die Arbeitsbedingungen in den Versandzentren des Moderiesen an.

Eines vorab und in aller Deutlichkeit: Wo gegen geltende arbeitsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird, müssen diese verfolgt und abgestellt werden. Kein Zweifel. Und hier liegen auch die Verdienste der Recherchen der jungen Kollegin.

Von einem gerüttelt Maß an Heuchelei ist allerdings die unmittelbar nach Ausstrahlung gestartete öffentliche Diskussion – im neudeutschen Volksmund auch Shitstorm genannt – gekennzeichnet. Da ist dann schnell von „moderner Sklavenhaltung“ die Rede verbunden mit dem hochheiligen Schwur, bei diesen „Ausbeutern“ nie wieder etwas zu kaufen. Da darf man auf die jetzt einsetzenden Umsatzeinbrüche bei Zalando wirklich gespannt sein.

War da nicht in jüngerer Vergangenheit etwas? Ähnlich moralisierende Kampfansagen von Verbraucherseite musste vor nicht allzu langer Zeit auch Amazon im Rahmen der von der Dienstleistungsgesellschaft Verdi nicht ganz ohne Eigeninteresse befeuerten Debatte um die Arbeitsbedingungen bei diesem Händler hinnehmen. Nach allen vorliegenden Zahlen wächst Amazon allerdings völlig unbeeindruckt weiter.

Was wir hier sehen, ist eine auf Konsumentenseite weit über die Grenzen des Online-Handels hinaus vorherrschende Scheinheiligkeit. Die neuen Sommersandalen? Ja, sicher. Aber bitte versandkostenfrei und bei Retoure selbstverständlich ohne Gebühren. Same-day-Delivery? Cool! Aber dafür zahlen kommt nicht in Frage. Artgerechte Tierhaltung in der Fleischproduktion? Ganz wichtig! Aber mein Schnitzel kaufe ich beim Discounter, weil der Metzger mit dokumentierter Herkunft der Ware aus artgerechter Haltung in der Region ja zu teuer ist. Ökostrom? Finde ich gut, kann ich mir aber leider nicht leisten. Die Liste ließe sich beinahe beliebig fortsetzen.

Der Markt, und das sind in diesem Fall die Hersteller und Händler, folgt in einer funktionierenden Marktwirtschaft der Nachfrage der Konsumenten. Diktieren die Käufer in einem durch das Internet völlig preistransparenten Markt der Angebotsseite einen gnadenlosen Preiskampf auf, so wird diese diesem Diktat entweder folgen oder aus dem Wettbewerb mangels Nachfrage verschwinden. Verbraucher übersehen leider nur all zu gerne, dass sie die eigentliche Marktmacht ausüben. Ein grundlegendes Umdenken auf Konsumentenseite nur ein wenig mehr hin zu nachhaltigen und fair produzierten und gehandelten Waren und Dienstleistungen sowie auch eine tatsächliche Änderung des Konsumverhaltens in diese Richtung wäre sicherlich für die Zalando-Mitarbeiter in Erfurt und all deren Kolleginnen und Kollegen hilfreicher als moralisierende und heuchlerische Empörung in den Internetforen dieser Welt.

Am kommenden Dienstag gibt es dann die andere Betrachtungsweise zu lesen. Wie sehen sie das mit Zalando, schreiben sie gerne ihre Meinung in die Kommentare unterhalb dieses Artikels.

 

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