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Umsatz und Profit: Zwillinge oder Stiefgeschwister?

Umsatz und Profit: Zwillinge oder Stiefgeschwister?
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Wir haben uns längst daran gewöhnt: Verkünden Online-Händler ihre Umsatzzahlen, so gibt es beinahe nur eine Richtung. Und die geht steil bergauf. Das gilt gleichermaßen für die Branche insgesamt wie für die meisten der einzelnen Player. Der lauteste Schrei auf dem Marktplatz der Eitelkeiten kommt dabei regelmäßig von einem deutschen Modeversender.

Doch sind diese Schreie auch Anlass zu uneingeschränktem Glück? Sicherlich, steigende Umsätze – und erst recht in deutlich zweistelliger Prozenthöhe – sind eine wichtige Kennzahl für die Entwicklung eines Unternehmens. Doch ist der Umsatz eben nur eine von mehreren betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, die erst in ihrer Kombination ein realistisches Gesamtbild der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens zeichnen.

So verwundert es schon, dass es in der allgemeinen Euphorie explodierender Umsätze fast schon verpönt erscheint, nach dem Zwilling der Kennzahl Umsatz, nämlich der Profitabilität,  eines Online-Händlers zu fragen. Oder ist der Profit im Ecommerce entgegen aller betriebswirtschaftlichen Grundregeln etwa gar nicht der Zwilling, sondern das Stiefgeschwister des Umsatzes?

Es wäre übrigens ein Leichtes, zum Beispiel auf dem Time Square in New York an einem Tag einen Umsatz von zehn Millionen US-Dollar zu erzielen. Verkauft man 20-Dollar-Noten zum Preis von zehn Dollar, benötigt man hierzu voraussichtlich nicht einmal den üblichen Acht-Stunden-Tag. Dieses Geschäftsmodell funktioniert auch auf dem Berliner Alexanderplatz.

Die einseitige Fokussierung der Betrachtung von Versendern treibt derweilen höchst seltsame Blüten. So ist der Umsatz des besagten Modeshops im vergangenen Geschäftsjahr zwar um für andere Branchen sagenhafte 50 Prozent gestiegen. Jedoch ist auch bekannt, dass im gleichen Zeitraum der Unternehmensverlust auf einen dreistelligen Millionenbetrag gestiegen ist. So weit, so gut. Branchenanalysten verweisen in solchen Situationen darauf, dass selbst Google jahrelang massive Verluste geschrieben habe, bevor das Unternehmen seine heutige Marktposition mit gigantischen Gewinnen erobert habe. Das ist alles richtig.

Jeder Betriebswirt oder ordentliche Kaufmann fragt sich jedoch mit dem gleichen Recht, wie Analysten bei der Bewertung unseres defizitären Beispielunternehmens – denn es ist in der Tat nur ein Beispiel, das stellvertretend für viele andere steht – mit Blick auf einen wohl binnen Jahresfrist zu erwartenden Börsengang auf Schwindel erregende Summen zwischen fünf und 15 Milliarden Euro kommen.

Auch hier gibt es wieder eine lapidare Antwort aus interessierten Kreisen. Diese Bewertungen seien eben eine Wette auf die Zukunft. Wachsen, wachsen und noch mal wachsen ist die Devise. Um Profite kann man sich später immer noch kümmern. Die gar nicht so viel Älteren unter unseren Lesern werden sich erinnern, dass dieses Motto vor gut zehn Jahren schon einmal einen Markt beherrscht hat; nämlich den Neuen Markt. Das Ergebnis ist bekannt.

Dies ist beleibe kein Plädoyer gegen Umsatzwachstum. Jedoch sei insbesondere kleinen und mittleren Online-Händlern, die sich nicht auf das Kapital mächtiger Venture Capital-Unternehmen stützen können, geraten, beim begrüßenswerten Streben nach Erhöhung der Umsätze auch einmal innezuhalten und sich mit gleicher Sorgfalt den betrieblichen Kosten und damit letztlich auch ihrer Profitabilität zu widmen. Oder, um es versöhnlich mit Theodor Fontane zu sagen: Gib deinem Wunsche Maß und Grenze, und dir entgegen kommt das Ziel.

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