Wer ein Start-up im Bereich E-Commerce gründen will, muss sich früher oder später die Frage stellen, auf welchem Vertriebsweg die Produkte zunächst angeboten werden sollen. Grundsätzlich stehen dafür ein eigener Onlineshop oder einer der vielen Online-Marktplätze zur Verfügung. Sind die Produkte bereits geplant, sollte man die Auswahl des richtigen Vertriebskanals nicht willkürlich oder aufgrund weniger KPIs (z.B. Umsatzvolumen des Marktplatzes) treffen. Denn nicht alle Produktgruppen funktionieren auf jedem Vertriebskanal und auch individuelle Faktoren, z.B. Budget, zeitliche Kapazitäten und Fachwissen, spielen eine wichtige Rolle bei der Suche nach einer geeigneten Vertriebsplattform.
Wenn man seine Produkte noch nicht kennt, sondern gerade erst die Entscheidung getroffen hat, ein E-Commerce Start-up zu gründen, kann man sein Sortiment auch vom Marktplatz ausgehend aufbauen. Das bedeutet, man sucht sich einen starken Marktplatz heraus und analysiert, welche Produkte dort gut funktionieren. Ebay stellt diese Daten beispielsweise selbst zur Verfügung, während es für Amazon entsprechende Tools, wie z.B. X-Ray gibt. In diesem Artikel wird es um die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Verkauf auf Marktplätzen und einem eigenen Online-Shop gehen, sodass man nach dem Lesen einen ersten Eindruck darüber bekommt, in welche Richtung es gehen könnte.
Verkauf auf Marktplätzen
Mit Amazon an der Spitze dominieren Marktplätze den Onlinehandel in Deutschland. Die Gründe dafür sind klar: Kunden steht eine riesige Produktauswahl zur Verfügung, Bestellungen können mit einem Klick abgegeben werden und die Lieferbedingungen sind optimal (kostenloser Versand & schnelle Lieferzeit). Gerade bei gewöhnlichen Produkten ist der Einkauf über einen Marktplatz um einiges gemütlicher, als erstmal auf Google nach einem geeigneten Fachhändler zu suchen. Dazu kommt, dass die meisten bekannten Marken ebenfalls auf den entsprechenden Marktplätzen zu finden sind.
Für angehende Onlinehändler bedeutet das, dass der Start einer eigenen Marke mit Standardprodukten im niedrigen bis mittleren Preisbereich über einen eigenen Online-Shop sehr schwer ist. Gibt man auf Google beispielsweise Knoblauchpresse ein, findet man vor allem Marktplatzangebote, Vergleichsseiten oder große Online-Shops, die sich auf Küchenprodukte spezialisieren. Es dort mit einem eigenen Webshop auf die erste Seite zu schaffen ist mit unglaublich viel Marketingarbeit (Investitionen) verbunden. Kurzum, ohne vorhandenes Branding, innovative/außergewöhnliche Produkte oder eine große Produktauswahl mit USP macht der Start über einen Online-Shop wenig Sinn.
Die zwei größten Marktplätze, die im Verhältnis zum investierten Kapital und Zeitaufwand den größten Ertrag bringen, sind Ebay und Amazon. Ebay funktioniert z.B. besonders gut, wenn man wenig oder überhaupt kein Startkapital hat (Reselling), während Amazon für den Markenaufbau mit eigenen Produkten optimal geeignet ist. Dort sind bereits mit einem einzigen Produkt fünfstellige Monatsumsätze möglich, wenn man sich vor der Produktentwicklung ausführlich mit dem Marktpotenzial, den USPs und anschließend den verschiedenen internen Werbemöglichkeiten auseinandersetzt. Anstatt sich seinen Marketingmix individuell zusammenstellen zu müssen, kann man nämlich Amazons hauseigene PPC-Möglichkeiten nutzen und seine Werbung nur an Kunden ausspielen, die bereits eine Kaufentscheidung in Bezug auf das jeweilige Produkt getroffen haben.
Über Amazon zu verkaufen bringt aber noch einen weiteren Vorteil mit sich: Mit der Teilnahme am FBA-Programm kann man seinen Kunden kostenlosen Prime-Versand bieten und muss sich nicht um Lagerung, Verpackung und Versand der Artikel kümmern, denn das übernimmt Amazon in einem seiner großen Logistikzentren. Man selbst schickt die Ware also an ein Lager, erstellt das Listing und kümmert sich anschließend um Marketing. Gerade für Einzelgründer oder Start-ups mit begrenzten finanziellen Ressourcen ist das ein riesiges Vorteil. Man könnte jetzt natürlich annehmen, dass die Gewinne aufgrund der durch diesen Service anfallenden Gebühren drastisch sinken. Das stimmt aber nicht so ganz.
Auf das einzelne Produkt bezogen, verringert sich der Gewinn natürlich ziemlich. Betrachtet man jedoch das Gesamtbild, wird durch die deutlich höhere Reichweite kombiniert mit einer durchschnittlich viel höheren Conversion-Rate (über 10 %), auch viel mehr Umsatz, entsprechend auch Gewinn erwirtschaftet. Am Ende bringt eine hohe Marge nichts, wenn man keine Verkäufe erzielt. Dazu kommt die Arbeitsentlastung durch die Abnahme der logistischen Prozesse. Geht man von etwa 10 Verkäufen pro Tag aus, was bei guten Produkten ein eher konservativer Wert ist, wären die Kosten im Eigenversand um einiges höher und mit Sendungsnummer (Amazon erfordert das) nicht mehr zahlbar.
Verkauf über einen Online-Shop
Ein eigener Online-Shop ist zunächst einmal mit deutlich mehr Aufwand verbunden. Natürlich kommt aber auch darauf an, was eigentlich das Ziel des Unternehmens ist. Wer beispielsweise selbstgemachte Produkte oder Einzelstücke verkauft und diese erstmal im kleineren Rahmen z.B. über Instagram vermarktet, sollte eher einen eigenen Shop aufbauen, anstatt zu versuchen, diese Produkte auf Amazon zu launchen. Wer allerdings eine eigene Marke in einem bestimmten Segment aufbaut oder möglichst schnell wachsen möchte, ist bei einem Marktplatz besser aufgehoben.
Neben einer ausgearbeiteten Website und einem ansprechenden Angebot ist vor allem langfristiges Marketing ein entscheidender Hebel zum Erfolg. Dazu gehören zum einen bezahlte Werbeanzeigen, zum anderen Content-Marketing bzw. Branding. Der Kunde braucht einen Grund, warum er nicht den einfachen Weg über Amazon gehen soll, sondern lieber in einem kleineren Shop bestellt, der in Sachen Bestellprozess und Versand natürlich langsamer ist. Dasselbe gilt auch für einen selbst, denn der Weg über Amazon ist nun mal etwas einfacher und weniger zeitintensiv.
Eine gute Strategie, die sich bei vielen bereits etablierten Unternehmen bewährt hat, ist der Start auf einem Marktplatz mit anschließendem Aufbau eines Online-Shops. So können Wachstum und finanzieller Erfolg bereits in der Anfangsphase gewährleistet werden, sodass man sich den Aufbau eines Shops verbunden mit Branding und langfristig unabhängigem Erfolg auch leisten kann.