In einem Interview mit der Funke-Mediengruppe hat der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller den Online-Handel als weitgehende Steueroase bezeichnet und massive Einnahmeausfälle für den Fiskus beklagt. In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung sagte Scheller:
„Besonders beim internationalen Handel im Internet entgehen dem Staat Steuereinnahmen. Hier geht es um einen Milliardenmarkt. Doch der Bund hat 2013 gerade mal 28 Millionen Euro verbucht. Daran sehen wir: Das Internet ist eine Steueroase.“
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Ein Hauch von Generalverdacht
Im weiteren Verlauf des Interviews trifft der Rechnungshofpräsident Aussagen, in denen mindestens einen Hauch von Generalverdacht mitschwingt. So sagte er weiter: „Betroffen ist etwa der Handel mit Software, Spielen, Musik, die als rein digitale Produkte verkauft werden. Es ist praktisch vom Belieben des Unternehmers abhängig, ob er die Produkte deklariert oder nicht. Beim Verkauf in Deutschland fallen 19 Prozent Umsatzsteuer an. Es findet aber keine steuerliche Kontrolle statt. Die Steuerausfälle dürften erheblich sein.“
Fehlende Kontrollinstrumente
Zur Begründung seines Verdachtes führt Scheller an, dass den Steuerbehörden die Mittel fehlten, diesem Phänomen wirksam nachzugehen. Es fehlten die geeigneten Werkzeuge für Ermittlungen im Internet. Das sind schwerwiegende Vorwürfe und Scheller kommt in seinen Ausführungen gegenüber der WAZ sogar zu dem Schluss, dass der Wettbewerb durch die genannten Umstände in Schieflage gerate.
Vom Verdacht zur Gewissheit kommen
Nun wollen wir einmal wohlwollend davon ausgehen, dass ein Amtsträger auf dem Niveau eines Rechnungshof-Präsidenten Äußerungen dieser Tragweite nicht ohne jegliche Grundlage aus einer Laune heraus tätigt. Allerdings muss auch klar gestellt werden, dass es sich hier um bloße Verdachtsmomente handelt. Wie Scheller ja selber einräumt, fehlen die Instrumente, die geeignet wären, die Verdachtsmomente zu Fakten zu verdichten. Und da in unserem Rechtsstaat immer noch die Unschuldsvermutung gilt, wäre es begrüßenswert, wenn ein führender Beamter Fakten in der Hand hielte, bevor er sich öffentlichkeitswirksam mit einem Generalverdacht äußert. Bitte erst vom Verdacht zur Gewissheit kommen.
Steuerliche Gleichbehandlung ja – Zusatzlasten nein
Kein ehrlicher Online-Händler wird sich gegen eine steuerliche Gleichbehandlung mit dem Wettbewerb – insbesondere dem stationären Handel – wehren. Die Herstellung und Kontrolle dieser Gleichbehandlung ist Sache des Staates. Spekulationen befördern hingegen nur gefährliche Reflexe. Wir alle kennen die Kreativität des Staates, wenn es um die Schaffung von Sonderregelungen geht, mit denen der Fiskus an besonders boomenden Branchen partizipieren will. Solche Sonderregeln sind abzulehnen. Gleichbehandlung ja – Zusatzlasten für den E-Commerce nein.