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Stiefkind Backend

Stiefkind Backend
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„Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive gewinnt Meisterschaften“, heiß eine Weisheit in vielen Sportarten. Dennoch sind es meist die Offensivkünstler, die im Scheinwerferlicht des Ruhmes stehen. Ganz ähnlich ist es im Online-Handel. Immer aufwändigere, animierte und multifunktionale Webshops im Frontend werden mit Design-Awards und anderen Preisen ausgezeichnet, während die Funktionalitäten im Backend eher wie ein ungeliebtes Stiefkind behandelt werden.

Wir meinen, zu Unrecht. Denn was nützen alle mit Hilfe eines attraktiven Frontends erzielten Umsätze, wenn diese im Backend durch ineffektive, unkoordinierte und damit kostenintensive Prozesse wieder aufgezehrt werden?

Unser Kollege Stephan Lamprecht von etailment hat sich für die Auswahl des Shops, der Software im Backend und das effiziente Zusammenspiel dieser Komponenten einige lesenswerte Gedanken gemacht, die wir unseren Lesern in Auszügen vorstellen möchten:

Wonach haben Sie eigentlich Ihren Shop ausgewählt? Das eingehende Studium allerlei Ratgeber und Checklisten kann einen Verantwortlichen ganz Angst und bange werden lassen. Übereinstimmung herrscht wohl darin, dass ein Fehler bei der Auswahl den Erfolg im E-Commerce völlig in Frage stellen wird. Die Auswahl muss also mit Bedacht erfolgen.

Bloß, nach welchen Kriterien? Die Klassiker, die gern herangezogen werden, sind unter anderem:

  • Miete, Kauf oder Eigenentwicklung?
    In der Praxis lautet die Frage dabei wohl eher, Hosting-Lösung oder eigener Server? Wer mietet, kann vermeintlich schneller das System wechseln. Und um den aktuellsten Stand kümmert sich der Anbieter. Eine vollständige Eigenentwicklung ist eher etwas für das ganz große Budget. Und wer kauft, hat immer irgendwie auch Angst um seine Investition.
  • Open Source oder geschlossene Lizenz?
    Als Vorteil von Open Source wurde stets die Offenlegung des Quellcodes angesehen, um damit potentielle Sicherheitslücken entdecken zu können. Wie die jüngere Vergangenheit gelehrt hat, wohl ein frommer Wunsch. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass es für Open Source Anwendungen oft eine unglaublich große Zahl an Erweiterungen gibt, die den Shop um jede nur erdenkliche Funktionalität erweitern (SEO, SEM, Social Media).
  • Preis?
    Ohne jeden Zweifel ein gewichtiges Argument. Lizenz-, Miet-, Wartungskosten haben einen unmittelbaren Einfluss auf das Geschäftsmodell. Und wer damit am Anfang steht, rechnet mit besonders spitzem Bleistift.

Umso erstaunlicher eigentlich, dass bei der Auswahl eines Shopsystems eine wunderbare Weisheit viel zu oft schmählich vernachlässigt wird: “Im Einkauf liegt der Gewinn”

“Einkauf” in diesem Zusammenhang meint schlanke Prozesse, die ohne manuelles Eingreifen ablaufen sollten. Kurzum: Jeder, der vorhat, ernsthaft E-Commerce zu betreiben, muss sich auch sein Backend ansehen und vor allen Dingen eine Strategie dafür entwickeln.

Der Onlineshop ist Schaufenster und Ladenlokal zugleich, er ist Showroom und auch gleichzeitig die Theke, an der Ihre Kunden bezahlen. Und wie in jedem Warenhaus oder Laden müssen Sie Ihre Einnahmen verbuchen, den Warenbestand im Griff behalten und das Thema Retouren im Sinne der Kunden abwickeln. Damit die dahinter stehenden Arbeiten die Gewinnspanne nicht auffressen, müssten Online-Shop und das Backend aus Warenwirtschaft und Finanzbuchhaltung im Gleichschritt wie Zwillinge arbeiten.

Doch statt Zwillingen, die sich blind verstehen, arbeiten im Maschinenraum des E-Commerce-Anbieters sehr oft weit entfernte Verwandte, die sich nicht einmal besonders gut leiden können.

Um es besser zu machen, müssen Sie bei der Auswahl eines (neuen) Shops die Abhängigkeiten der eingesetzten Systeme möglichst vollständig berücksichtigen.

  • Werden Sie den größten Anteil Ihrer Waren von einem Lieferanten beziehen? Dann ist dessen Datenformat für Produktbeschreibungen für die Auswahl des Shops nicht uninteressant. Gar keine Frage: In der IT lassen sich Daten immer von einem System in ein anderes übernehmen. Die Frage ist nur zu welchem Preis? Warum also gleich beim ersten Schritt die Komplexität unnötig erhöhen?
  • Jedes System und jedes Software-Genre hat über die Jahre verschiedene Standards etabliert. Eine Bestellung aus Sicht des Buchhaltungsprogramms ist anders aufgebaut als im Shop oder der Warenwirtschaft. Es ist ein guter Gedanken, sich anzusehen, wo sich die Systeme voneinander unterscheiden? Genau nachzuschauen, welche Bedeutung die verschiedenen Datenfelder eigentlich besitzen?
  • “Kleinigkeiten” mit großer Wirkung: Was auf den ersten Blick wie eine Kleinigkeit erscheint, kann am Ende riesige Wirkungen haben. Wie runden die Systeme eigentlich? Wie viele Stellen werden intern berücksichtigt? Aus Sicht der Buchhaltung und der Finanzbehörden sollten alle Zahlen schon stimmig sein. Welche Felder braucht das Backend eigentlich zu einer Bestellung? Artikelposition, Zahlart und Versandart? Geht die Zahlart als Kostenträger unterwegs irgendwo verloren?

Je intensiver Sie sich mit den Abhängigkeiten beschäftigen, desto reibungsloser, schneller und mit weniger Aufwand klappt der Datenaustausch. Und damit stehen die Chancen auch gut dafür, dass Ihr Gesamtsystem bei stark wachsenden Kundenzahlen immer noch funktioniert und skaliert.

Die Richtung Ihrer Strategie muss dabei stets sein, dass der Shop nur wie eine Blackbox arbeiten darf und immer austauschbar sein muss. Oder kennen Sie einen Händler vor Ort, der bei einem Umzug seines Ladenlokals die Kasse und seine Computer austauscht und auch noch den Steuerberater wechselt?

Wer nach dem idealen Zusammenspiel von Backend und Online-Shop sucht, fängt höchstwahrscheinlich nie mit dem Verkaufen an, oder entwickelt immer noch an der eigenen Lösung. Shops, die von ERP-Herstellern selbst entwickelt oder als ideal empfohlen werden, funktionieren oft nicht mit der eigenen IT-Infrastruktur. Oder sie stehen strategischen Überlegungen im Weg, weil sie einen bestimmten Zahlungsweg gar nicht oder erst in Zukunft berücksichtigen werden oder die Lokalisierung noch nicht abgeschlossen worden ist. Oder der Mietshop arbeitet nur mit einem oder zwei Programmen im Backend zusammen. Wenn Sie die nun gerade nicht einsetzen, unterhalten Sie sich schnell mit Spezialisten über Datenformate wie CSV. Ach ja, XML in diesem Zusammenhang bedeutet zunächst einmal nur eine Chance auf Datenaustausch, ist aber für sich noch keine Lösung.

Es gilt, den Kompromiss zu finden, der zu den Abläufen und der eigenen Strategie passt. Ein häufiger Knackpunkt und Kostentreiber ist dabei schlicht der Faktor Zeit. So wünschenswert eine vollständige Abbildung und Abwicklung jeder Bestellung in Echtzeit wäre, so unerschwinglich bleibt dies mit sinkender Unternehmensgröße.

Wer nicht auf Navision, SAP oder Sage setzt und den Begriff ERP-System mit vielen verschiedenen Programmen besetzt, der muss sich über Batchläufe und Synchronisation von Datenbeständen Gedanken machen. Der Kompromiss, der hier gefunden werden muss, bewegt sich zwischen Kundennutzen, Kundenzufriedenheit und ganz praktischen Performanceerwägungen der beteiligten Systeme. Denn schließlich möchten die Mitarbeiter mit Buchhaltungsprogramm und Warenwirtschaft ja auch noch arbeiten und nicht nur warten. Erst wenn alle die zentralen Fragen beantwortet sind, kommen SEO, SEM und Kundenanalysen. Denken Sie daran: Im Einkauf liegt der Gewinn.

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