Das Covid-19 Virus hat unsere Welt in wenigen Tagen ganz schön durcheinandergewirbelt und den Alltag fast aller Menschen weltweit aus den Angeln gehoben. Scheinbar nichts ist mehr so wie es einmal war. Zumindest in Deutschland finden wir langsam wieder zurück zu einem bisschen Normalität zurück. Aber eines steht fest: Die Corona-Krise wird uns noch lange begleiten und nachhaltig unser Wirtschaftssystem prägen.
Eine der besonders stark betroffenen Branchen war die Logistikbranche – buchstäblich von einem Tag auf den anderen wurde Grenzen geschlossen, LKW standen still und Güterzüge konnten nirgendwo mehr hinfahren. Wegen der ausfallenden Flüge wurden sogar Flughäfen zwischenzeitlich geschlossen.
Insgesamt zählt zwar der E-Commerce zu den Gewinnern der Krise – schließlich hatten viele Menschen auf einmal viel Zeit dafür, sich auf Internetseiten nach neuen Produkten umzusehen. Aber viele Online Händler hatten dieselben Probleme wie der stationäre Einzelhandel, überhaupt die Ware zu bekommen – denn durch die geschlossenen Grenzen waren die globalisierten Lieferketten unterbrochen.
Von diesen Problemen waren manche Branchen natürlich stärker betroffen als andere und Forderungen werden laut, bei einigen Produkten die Globalisierung zurückzudrehen und wichtige Medikamente nur noch in Europa zu produzieren. Was würde das für den E-Commerce bedeuten? Und wie wahrscheinlich ist es, dass sich aufgrund der Corona-Krise die weltweiten wirtschaftlichen Verbindungen grundlegend ändern?
Inhalt des Artikel
Globalisierte Wertschöpfungsketten anfällig für Krisen
Ein unerwarteter Nebeneffekt der Globalisierung ist der Boom von Übersetzungsbüros. Trotz Digitalisierung und maschineller Übersetzungen, haben professionelle Übersetzungsbüros so viel Arbeit wie nie zu vor. Fast jeder braucht heute immer wieder gute Übersetzungen. Vom großen Weltkonzern bis hin zum kleinen Online Händler, jeder muss zeitweise rechtssichere Übersetzungen vorliegen haben. Auch im E-Commerce sind Übersetzungen vollkommen normal – das zeigt, wie wichtig der internationale Warenverkehr auch im E-Commerce ist.
Über Jahre sind intensive Wirtschaftsverbindungen quer über den Globus gewachsen, die auch fast immer sehr gut funktioniert haben. Warensendungen aus China an deutsche Kunden waren ebenso normal wie transnationale Just-In-Time Produktion. Die globalisierte Wirtschaftswelt wurde immer vernetzter und arbeitete immer enger zusammen. Das alles funktioniert mit der richtigen Logistik sogar über zehntausende Kilometer hinweg. Die Einschränkungen aufgrund der Corona-Krise machten dann von einem Tag auf den anderen deutlich, wie verletzlich dieses System ist und welche Risiken es birgt. Alle Branchen, die besonders stark auf die Internationalisierung setzten, waren besonders hart betroffen. Die Textilindustrie musste Aufträge in Milliardenhöhe in Ländern wie Indien, Bangladesch oder Vietnam stornieren. Das hatte zur Folge, dass die Lager von Online Händler binnen Tage ausverkauft waren.
In Deutschland, Europa und großen Teilen der übrigen westlichen Welt, griffen die sozialen Sicherungssysteme ein und verhinderten das Schlimmste. In Deutschland wurde für Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet und selbst wer seine Arbeitsstelle verlor, der steht in Deutschland nicht vor dem vollständigen Ruin. Unternehmen werden von der Bundesregierung, den Landesregierungen und sogar Städten und Gemeinden unterstützt. Nicht nur mit günstigen Krediten, sogar kräftige Finanzspritzen wurden ausgezahlt. Bei anderen Unternehmen wie der Lufthansa steigt der Staat als Anteilseigner ins Unternehmen mit ein.
Gehen im globalen Süden die Produzenten verloren?
Weil die großen Abnehmer von Textilprodukten ihre Läden schließen mussten, ging die Nachfrage bei den Textilproduzenten in den Ländern des globalen Südens schlagartig zurück – daran konnte auch die Nachfrage aus dem E-Commerce nicht genügend ändern. Für die Produzenten bedeutete das in nicht wenigen Fällen, dass sie ihre Belegschaft entlassen und ihre Fabriken schließen mussten.
Während in Deutschland die Folgen bisher noch relativ überschaubar geblieben sind – schließlich muss noch niemand hungern und wegen Mietrückständen, die aus der Corona-Krise entstanden sind, darf nicht die Wohnung gekündigt werden – stehen die Gesellschaften von Ländern wie Bangladesch vor einem Scherbenhaufen ihrer Existenz. Hier gibt es keine Sicherungssysteme, kein Soziales Netz. Und wer in einer Textilfabrik gerade genug verdient, um Miete zu bezahlen und seine Mahlzeiten auf den Tisch stellen zu können, der hat durch die niedrigen Löhne keine Chance Rücklagen für exogene Krisen anzusparen.
Je nachdem wie sich die Corona-Krise in den Abnehmerländern auswirkt, stehen die „verlängerten Werkbanken“ des Westens, wo der Großteil der Produktion geleistet wird, vor dem Ruin. Wenn die Kauflaune nicht rasch wiederkommt, stehen bald die bisherigen Produktionsstandorte aus allen möglichen Branchen nicht mehr zur Verfügung – das wird auch der E-Commerce bemerken. Der direkte Versand vom Produzenten in China, Indien, Bangladesch oder Vietnam zum Kunden in Hintertupfingen wird nicht mehr ohne weiteres möglich sein – weil der Produzent gar nicht mehr existiert.
Zu den ökonomischen Gründen für Fabrikschließungen kommen natürlich die Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche – die auch in Bangladesch nicht anders sind als hier: alles wird geschlossen. Auch Fabriken mussten geschlossen werden, wenn nicht zig-tausende Näherinnen infiziert werden sollten.
Wie will die Politik reagieren?
Die Probleme, die die langen Lieferketten nun mit sich gebracht haben, hat nun auch die Politik erkannt. Erste Rufe, wenigstens die „Systemrelevanten“ Produkte verstärkt im Inland produzieren zu lassen, waren öffentlichkeitswirksam, werden wahrscheinlich aber doch nicht in dieser Schärfe umgesetzt werden. Viel wahrscheinlicher – und viel sinnvoller – scheint eine europäische Arbeitsteilung bei wichtigen Medikamenten, damit auch in Krisenzeiten die Versorgung von Patienten mit profanen Mitteln wie Ibuprofen sichergestellt werden kann.
Um die Folgen der Corona-Krise in den eigenen Ländern irgendwie stemmen zu können, haben sich die dortigen Länder bereits an die Welthandelsorganisation (WHO) und die Regierungen im Westen gewandt. Im Rahmen von Entwicklungshilfe baten die Regierungen der betroffenen Staaten um Hilfen, um die Corona-Krise medizinisch und ökonomisch bewältigen zu können. Ansonsten bliebe den Ländern nur übrig, den Fabrikbesitzern wieder zu erlauben ihre Tore zu öffnen und entsprechend der (mageren) Auftragslage zu arbeiten. Den Arbeitenden bliebe dann nichts anderes übrig, als zwischen Corona und dem Hungertod zu wählen.
Die Produktion der Konsumwaren, die der E-Commerce verkauft, steht jetzt – vorsichtig ausgedrückt – auf wackeligen Beinen und könnte jederzeit zusammenbrechen.
In Zukunft wollen führende Entwicklungs- und Handelspolitiker in Europa darauf hinwirken, dass die Auftraggeber in Europa die Verantwortung für ihre Subunternehmer übernehmen müssen, die von ihnen abhängig sind. Zusätzlich zum Arbeitsschutz, der auf diesem Wege durchgesetzt werden soll, sollen Unternehmen ab einer gewissen Größe und Auftragsvolumen dazu verpflichtet werden können, in Krisen auch ihren Subunternehmern finanzielle Hilfe zu leisten, indem sie ihre Aufträge nicht einfach stornieren können.
Allein diese Rechtslage würde die Preise von vielen Konsumgütern, die heute lächerlich billig sind, erhöhen.
In Deutschland wirkt es bereits so, als wäre Corona wieder vorbei. Wir alle wissen aber, dass das noch lange nicht der Fall ist. Denn in vielen anderen Ländern fangen die großen Probleme jetzt erst an – die uns in kurzer Zeit auch beschäftigen werden.